how to survive mündliches Physikum
Das 1. Staatsexamen, auch genannt Physikum, besteht aus einem schriftlichen und mündlichen Teil. Der schriftliche Teil wird bereits Ende August an zwei aufeinanderfolgenden Tagen absolviert, während das Datum für die mündliche Prüfung von der Universität selbst festgelegt und daher auch stark von Stadt zu Stadt variiert. Bei uns fand die mündliche Prüfung Anfang September statt, genau 13 Tage nach der Schriftlichen.
Schriftliches Physikum ist geschafft! Ab jetzt kommt endlich die langersehnte Entspannung nach über 60 Tagen lernen. Nur ein paar Stunden am Tag die Themen wiederholen, die man eh schon die ganze Zeit gelernt hat und dann Freizeit! Das waren meine Gedanken kurz nach dem Absolvieren des schriftlichen Teils des Physikums. Am Nachmittag ließ ich erst einmal Physikum Physikum sein und beschloss am nächsten Tag ganz entspannt einen Plan für die mündliche Prüfung auszuarbeiten, die in genau 13 Tagen anstand.
Aus dem ganz entspannt wurde dann ein: "oh Gott, das ist viel zu viel, wo soll ich überhaupt anfangen? Und wie soll ich das bewältigen? Und woher soll ich die Motivation nehmen?" Tja, während ich in der Vorbereitung für die schriftliche Prüfung mich am Ambossplan orientiert hatte, fehlte mir hier jetzt eine Struktur. Und das stresste mich viel mehr als gedacht. Bei uns bekommt man seine Prüfer erst 5 min vor der Prüfung mitgeteilt, daher fielen Vorgespräche und Schwerpunkte setzen beim Lernen schonmal weg. Also wo fing ich an mit dem Lernen? Oder eher gesagt wo hörte ich auf? In 13 Tagen schaffte ich niemals alle Details so zu lernen, wie wir sie in den vorherigen 4. Semestern hatten. Meine Rettung war dann eine Tabelle, die irgendwann mal erstellt wurde, die die wichtigsten Themen der letzten 4-5 Jahre aus den Altprotokollen enthielt. Ich teilte mir alle Themen auf meine 13 Tage bis zur Prüfung auf und legte mit meiner Lernggruppe, mit der ich auch zusammen die Prüfung antrat, feste Tage fest, an denen wir gemeinsam die Stichpunkte der Tabelle durchgehen wollten. Dabei nahmen wir einen Tag für Anatomie und jeweils zwei für Physiologie und Biochemie vor.
Anatomie
Für Anatomie lernte ich teilweise mit meinen Ankikarteikarten, die ich während der Semester selbst erstellt hatte und aus dem Prometheus. Außerdem ging ich einmal mit meiner Lernggruppe in den Präpsaal, um alle Themen mindestens einmal nochmal an den Präparaten gesehen zu haben. Das klappte zum Glück auch noch ganz gut und in Anatomie fühlte ich mich sowieso ziemlich sicher. Der Präpkurs und der Kopfkurs lagen nicht allzu weit zurück und das Anatomiewissen war noch frisch. Das bedeutet, dass ich in Anatomie nicht viel Zeit investieren musste.
Physiologie
Anders war es dagegen bei Physiologie. Das Fach fiel mir schon während der Semester sehr schwer. Mit Mühe und Not lernte ich Fakten und Abläufe auswendig, ohne wirklich zu verstehen, warum eine Vasodilatatbon des Das afferens in der Niere die GFR erhöhte. Und jetzt sollte ich das alles plötzlich dem Physiologieprofessor verständlich erklären?! Oh je, dachte ich mir und plante für Physio mir lieber ein paar mehr Lerntage ein. Überraschenderweise war Physio dann gar nicht so mysteriös und unerklärbar, wie es mir erschien. Als ich mich mit den Themen dann etwas intensiver auseinandersetzte, machte so vieles plötzlich Sinn, was ich vorher nie verstanden hatte. Und das Gute in Physio ist, wenn man einmal die Grundprinzipien verstanden hat, dann kann man sich viele Fragen herleiten. So vertraute ich in den letzten Tage vor der Prüfung darauf, dass Physio bei mir klappte.
Biochemie
In der Biochemie funktioniert das Herleiten eher weniger. Entweder man weiß, welches Enzym wo arbeitet oder halt nicht. In der Vorklinik kam ich mit BC immer gut zurecht. Es ist einfach ein Fach, wo man extrem viel auswendig lernen muss. Also wiederholte ich hier auch an meinen Biochemietagen alle meine selbst erstellten Anki Karteikarten und las die wichtigsten Themen im Müller-Esterl durch, da das bei uns das wichtigste Buch in BC war.
Histologie
Dann gab es noch Histo. Histo war bei uns schon ziemlich lange her gewesen, daher auch nicht mehr frisch im Kopf. Zusätzlich wurden beim schriftlichen Physikum viel weniger histologische Details erwartet, sodass mir klar war, in dieses Fach mehr Zeit zu investieren. Bei uns gab es eine Liste mit sämtlichen Prüfungspräparaten, die ich anhand meiner damals erstellten Lernzettel einmal komplett durchging. Nach und nach kam mein Histowissen dann zurück, aber Präparate wie Zahn, Plazenta oder Knochenmarkausstrich mit den verschiedenen Stadien der Erythrozyten- und Granulozytenreifung bereiteten mir echt Kopfschmerzen. Also einfach hoffen, dass man diese Präparate nicht bekam? Das war mir zu unsicher. Dennoch entschied ich die Zahnentwicklung nur grob zu lernen und mir am Tag vor der Prüfung meine Angstpräparate einmal anzusehen.
mentale Stimmung
Die Zeit vor den schriftlichen Prüfungen erlebte ich als sehr angenehm. Ich glaube das lag auch vor allem daran, dass ich knapp davor noch im Urlaub war und Kreuzen am Strand sehr viel angenehmer ist. Die Zeit bis zur Mündlichen war dagegen die reinste Qual. Ich zählte jeden einzelnen vergangenen Tag bis ich endlich wieder die Freiheit zurück bekommen würde. Die Tage zogen sich in die Länge und die Liste an Themen, die ich wiederholen wollte, wurde auch nicht kürzer. An einigen Tagen erlebte ich zum ersten Mal wie sich ein Motivationstief anfühlte. Ich hielt es nicht aus nur 10 min am Schreibtisch zu sitzen. Ich wechselte in den Garten, dann wieder ins Zimmer. Ich zog die Rolladen komplett herunter, um die Sonne nicht sehen zu müssen. Wie es nicht anders sein konnte, waren die Tage beschenkt mit dem schönsten Sommerwetter bei 25-30 Grad. Ich bekam mit, wie Nachbarn und Freunde an Strand fuhren, während ich immer noch wie seit über 2 Monaten lernen musste. Dazu kam der Druck, die Prüfung unbedingt zu bestehen und die Angst, genau das eine Thema geprüft zu werden, das meine Schwachstelle war. Ich hatte keinen Lernplan von AMBOSS, der mir sagte, wann ich am Tag genug gelernt hatte. Gefühlt war ich nie fertig. Es gab immer noch einen Punkt, ein Kapitel im Prometheus, ein histologisches Präparat, das ich noch anschauen musste. In den ersten Tagen lernte ich von früh morgens bis spät abends. Ich fühlte mich überfordert, fertig und sehnte mich nach dem Ende. Die einzigen Highlights waren die Treffen mit meiner Lerngruppe. Wenn wir zusammen Physiologie oder Biochemie durchgingen, verging die Zeit wie im Flug und selbst bei 28 Grad ließ es sich mit vielen Snacks aushalten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Am schönsten war es, nach einem gemeinsamen Lerntag sich im Wasser abzukühlen und das wohl verdiente Eis zu essen. Als die Prüfung näher rückte, entspannte ich etwas. 10 Stunden lernen am Tag hielt ich nicht mehr durch. Ich erlaubte mir abends wieder zu lesen, ging spazieren, war mit dem SUP unterwegs, machte Yoga und malte. Vor allem das Malen hatte ich in den vergangenen Wochen so sehr vermisst. Langsam bekam ich auch das nötige Selbstvertrauen und die Zuversicht, dass ich die Prüfung schaffen würde. Am Tag vor der mündlichen Prüfung tat ich so wenig für die Prüfung wie seit langen nicht mehr. Für mich machte es aber auch keinen Sinn, warum jetzt noch zum x-Mal ein Thema anschauen, was vielleicht eh nicht geprüft wird? Wirklich gut schlief ich in der Nacht nicht, aber ich fühlte mich dennoch erholt und bereit, mein Bestes zu geben.
Prüfungstag
An einem Dienstag Anfang September war unsere Prüfung. Und genau an diesem Tag waren es 28 Grad. Eine Temperatur, die hier so selten ist wie Regen in der Wüste. Wir konnten nur darauf hoffen, dass es jedenfalls im Prüfungsraum etwas kühler war und die Prüfer auch lieber schnell an Strand wollten, als uns zu quälen. Um 14 Uhr begann die Prüfung, das heißt um 18 Uhr hatte ich meine Freiheit zurück. Den Vormittag versuchte ich mit ausschlafen (ich schlief trotzdem nur bis kurz nach sieben), Yoga, einem entspannten frühstück und Durchblättern meiner Faktenzettel umzubekommen. Gegen 12 traf ich mich mit meiner Prüfungsgruppe zum Mittagessen in der Mensa. Trotz Aufregung aß ich die asiatischen Nudeln, die für Mensaessen erstaunlich gut schmeckten. Dann hieß es nur noch warten, bis es endlich halb zwei war. Alle paar Minuten schaute ich auf die Uhr und die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Wir trafen dabei schon auf die Kommilitonen, die bereits am Vormittag ihre Prüfung bestanden hatten und wurden nochmal bestärkt. Auch liefen einige potenzielle Prüfer an uns vorbei und wir hofften entweder diese zu bekommen oder eben diese nicht zu bekommen. Irgendwann war es dann doch halb zwei. Im Vorraum bekamen wir unsere Prüfer mitgeteilt. Das war erstmal ein riesiger Schreck, da wir einen Prüfer bekamen, den wir alle auf keinen Fall haben wollte. Aber daran konnten wir jetzt nichts mehr ändern. Prüfungsvorsitz hatte der Professor der Physiologie und so bekamen wir eine extra Physioaufgabe gestellt. Ich sollte Weber und Rinne erklären und Tonschwellenaudiogramme analysieren. Als Histopräparate erhielt ich Jejunum und Lymphknoten. Meine erste Prüfung war Anatomie. Dann kam Physio und zum Schluss Biochemie. Bei allen drei Prüfungen hatte ich ein gutes Gefühl, auch wenn ich vor Aufregung Wörter verdrehte und eigentlich einfache Sachen vergaß. Die vier Stunden vergingen wie im Flug. Und wir hatten alle bestanden!!! Wir konnten unser Glück kaum fassen. Nichts trennte uns mehr von der verdienten Freiheit. 6 Wochen nicht lernen, keine Uni und einfach nur das tun, was man will.
Im Nachhinein habe ich mich viel zu sehr gestresst. Die mündliche Prüfung war sehr viel entspannter als gedacht. Niemand möchte, dass man durchfällt und 99 % der Prüfer bewerten fair. Also hier noch in Kürze meine drei wichtigsten Überlebenstips:
1. Es ist viel motivierender in der Lerngruppe zu lernen und gemeinsam Themen durchzusprechen als alleine zu prokrastinieren.
2. Konzentriert euch auf die Themen, die ihr nicht gut könnt und vertraut auf alle anderen, da ihr nicht genügend Zeit habt, alles bis ins Detail zu wiederholen.
3. Es ist vollkommen okay, an einem oder zwei Tagen nicht alles zu schaffen, was man sich vorgenommen habt. Ihr habt einen langen Lernplan bereits hinter euch!
An alle, die das mündliche Physikum noch vor sich haben, viel Glück, dass ihr nette Prüfer*innen bekommt und Themen, die ihr mögt, viel Erfolg, wenn ihr euch gut vorbereitetet habt und vor alle viel Vertrauen in euch selbst!
Bis bald,
Eure Flora
Kommentare
Kommentar veröffentlichen